Strafverteidigung

„Glauben Sie nicht an das Offensichtliche!“
Sir Arthur Conan Doyle – Sherlock Holmes

Strafverteidigung ist ein fortdauernder Kampf des Anwalts gegen den Strafanspruch des Staates. Gefordert ist hier nicht der willfährige "Verurteilungsbegleiter", sondern der engagierte Verteidiger der Interessen des Mandanten.

Weit verbreitet ist nach wie vor die Ansicht, einen Strafverteidiger benötige man erst nach Zustellung einer Anklageschrift oder gar in der Hauptverhandlung vor Gericht. Dies ist jedoch falsch. Nur die Einschaltung eines Strafverteidigers bereits im Ermittlungsverfahren gewährleistet eine effektive Verteidigung. Gerade die grundlegenden Fragen, die sich naturgemäß am Anfang eines Ermittlungsverfahrens stellen, können das gesamte weitere Verfahren entscheidend beeinflussen.

Muss ich eine Durchsuchung dulden und welche Rechtsmittel stehen mir zu ? Schadet oder nützt mir eine Aussage im Ermittlungsverfahren ? Generell gilt: Eine Aussage des Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren, der keine Beratung mit einem Strafverteidiger vorangegangen ist, schadet dem Betroffenen in der Regel weit mehr, als sie ihm nützt. Sie kann das gesamte weitere Verfahren (zum Nachteil des Beschuldigten) prägen. Gerade im Falle der vorläufigen Festnahme, der Anordnung von Untersuchungshaft, aber auch schon bei einer Vorladung durch Polizei oder Staatsanwaltschaft ist deshalb die unverzügliche Rücksprache mit einem Strafverteidiger notwendig.

Nach dem Gesetz ist der Beschuldigte nur zur Angabe seiner Personalien verpflichtet. Ansonsten sollte der Beschuldigte unbedingt von seinem Schweigerecht Gebrauch machen. Dies schließt Angaben zu eventuellen Kontakten zu möglichen weiteren Beschuldigten, Auskünfte zu den eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen sowie Angaben zur persönlichen Lebensplanung (Umzug, Urlaub, Arbeitsplatz) ein. Schon oft haben unbedachte Äußerungen in diesen Bereichen unversehens zu unerwarteten Folgen (Inhaftierung!) geführt, weshalb dieser Ratschlag unbedingt beachtet werden sollte. Im Falle einer Durchsuchung sollte sich der Beschuldigte den Durchsuchungsbeschluss – soweit vorhanden – aushändigen lassen. Zur Unterschrift unter irgendwelche Dokumente - zum Beispiel Sicherstellungsprotokolle - ist der Beschuldigte nicht verpflichtet.

Ratsam ist es, soweit möglich, bereits zur Durchsuchung den Strafverteidiger hinzuzuziehen.

Im Falle einer vorläufigen Festnahme beziehungsweise eines Haftbefehls sollten ebenfalls ohne Rücksprache mit einem Strafverteidiger keinerlei Angaben zur Sache erfolgen. Dies bedeutet konkret, außer zu den eigenen Personalien (Name, Meldeanschrift, Geburtsdatum und Geburtsort) überhaupt nichts zu sagen. Auch das Bestreiten eines Vorwurfs, der Hinweis auf mögliche Zeugen oder ähnliches ist bereits eine Aussage zur Sache!

Der Beschuldigte sollte umgehend verlangen, einen Strafverteidiger zu sprechen. Entweder wird der Verteidiger direkt kontaktiert oder der Beschuldigte lässt Familienangehörige oder Freunde unverzüglich einen Verteidiger benachrichtigen. So schlimm es klingen mag:
Besser eine Nacht im Polizeigewahrsam zubringen, als eine sofortige Freilassung mit einer (vermeidbaren) späteren Verurteilung zu bezahlen! Entsprechenden "Verlockungen" von Vernehmungsbeamten ("Wenn Sie jetzt eine Aussage machen, kommen Sie sofort frei!") sollte der Beschuldigte deshalb nicht vor der Rücksprache mit einem Verteidiger nachgeben.

Der Vorwurf, eine Vergewaltigung oder einen sexuellen Missbrauch begangen zu haben, bedeutet für den Beschuldigten oft einen Kampf gegen die Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz, seiner Familie oder Ehe und seines Rufes.

Gegen den Vorwurf einer Sexualstraftat ist die Verteidigung zum Schutz der Beschuldigtenrechte und zum Kampf um ein rechtsstaatliches Verfahren besonders gefordert, sieht sich der Mandant doch häufig einer unerträglichen Vorverurteilung ausgesetzt.

Die sachgerechte und konfliktbereite Verteidigung in Sexualstrafsachen setzt die Kenntnis der prozessualen Besonderheiten dieser Verfahren sowie der einschlägigen Rechtsprechung voraus.

Zu den Kernpunkten einer Verteidigung in Sexualstrafsachen gehören:

  • die Verteidigung mit und gegen ausssagepsychologische Gutachten ("Null-Hypothese" gem. BGHSt 45, 164) sowie die Kenntnis neuerer Entwicklungen in Aussagepsychologie und dazu ergangener Rechtsprechung
  • die Kenntnis der Voraussetzungen der Bestellung eines weiteren Gutachters (§ 244 Abs. 4 S. 2 StPO)
  • die Erfahrung mit der besonderen Problematik potentiell suggestiver Aussagen bei Massenbeschuldigungen in Missbrauchsverfahren
  • der Umgang mit Videovernehmungen durch die Polizei und deren Einführung in die Verhandlung
  • Die Kenntnis von Verteidigungsstrategien bei "Aussage-gegen-Aussage-Situationen".

In vielen Orten gibt es einen "Anwaltlichen Notdienst für Strafsachen", für den außerhalb der üblichen Bürozeiten, auch zur Nachtzeit, strafrechtlich versierte Anwälte tätig sind. Für den Fall einer Festnahme sollte gegenüber der Polizei darauf gedrungen werden, den anwaltlichen Notdienst anrufen zu können. Die entsprechenden Telefonnummern sind bei der Polizei bekannt.

In Hamburg erreicht man den von der Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V. (www.strafverteidiger-hamburg.net) organisierten "Anwaltlichen Notdienst in Strafsachen" Tag und Nacht unter folgender Telefonnummer:
(0171) 61 05 949

Bitte beachten Sie, dass es sich ausdrücklich um eine "Notrufnummer" handelt, die nur in Fällen dringender Beratung in Strafsachen angewählt werden sollte.